Die Fraktion der FBvB hatte mit Schreiben vom 06.02.2018 beantragt, über die Forderung des Ratsherrn Timo Broeker, den Medienvertreter Markus Bültmann, aus Rats- und Ausschusssitzungen auszuschließen, zu beraten und über eine mögliche Abmahnung gegenüber dem Ratsherrn zu entscheiden. Der Schriftwechsel zwischen Ratsherr und Bürgermeister ist im Ratsinformationssystem hinterlegt (siehe hier).

 

In der Begründung heißt es wie folgt: „Herr Broeker hat zu Recht die in der letzten Nelkenzeitung veröffentlichten Witze kritisiert, da sie geeignet waren unterschiedliche Gruppen auszugrenzen. Der Vorwurf des Rassismus greift allerdings zu kurz. Blondinenwitze sind eher als sexistisch zu bezeichnen. U. E. ist es richtig, derartige Witze kritisch zu betrachten. Aber das gilt eigentlich für alle Arten von Witzen: Witze über Behinderte, Beamte, Lehrer, usw. sind ebenso zu hinterfragen, da sie ebenfalls dazu beitragen, Gruppen zu diffamieren. Inzwischen hat sich Herr Bültmann in Blomberg Voices umfassend entschuldigt (siehe hier)  und auch eine Stellungnahme in der nächsten Nelkenzeitung angekündigt (Diese finden unsere Leser nun hier).

 

Wie die LZ am 31. Januar 2018 berichtete, sind die Witze übrigens nach Auffassung des Oberstaatsanwalts Ralf Vetter nicht „strafrechtlich relevant. („Unter Volksverhetzung fällt das noch nicht“.) Die im Brief an den Bürgermeister gestellte Forderung, Herrn Bültmann aus Rats- und Ausschusssitzung auszuschließen, widerspricht dem Art 5. des Grundgesetzes (Meinungs- und Pressefreiheit; Freiheit der Kunst und Wissenschaft). Die Forderung Herrn Broekers ist u. E. vor dem Hintergrund dieser Einschätzung und den Vorgaben des Grundgesetzes rechtlich bedenklich und für einen Blomberger Ratsherrn unangemessen und überzogen. Daher halten wir seitens der FBvB eine Beratung über eine Abmahnung gegenüber des Ratsherrn Broker im Hauptausschuss und Rat für notwendig.“

 

Soweit der Antrag der Freien Bürger von Blomberg, zu dem verwaltungsseitig der Hinweis erging, dass weder in der GO NRW noch in den Satzungen der Stadt die Begrifflichkeit und Wirkung einer „Abmahnung“ geklärt bzw. formuliert ist. In einer Mail, die von Markus Bültmann bereits am Dienstag (10.4.2018) an alle Fraktionsvorsitzenden versendet wurde, heißt es wie folgt: „Sehr geehrte Damen und Herren, am Mittwoch steht die 29. Sitzung des Hauptausschusses an. Da ich unter TOP 6 in den Sitzungsunterlagen meinen Namen vermerkt finde, jedoch lieber wie gewohnt als neutraler Beobachter/ Zuhörer am Rande des Geschehens verbleibe, zudem verfahrenstechnisch auch keine Mitwirkungsmöglichkeit habe, erlaube ich mir Ihnen ein paar Zeilen aus dem Bauch heraus zu übersenden. Diese finden Sie zu Ihrer Information im Anhang dieser Mail.“ Das Anschreiben selbst dann wie folgt:

 

„Sehr geehrte Damen und Herren. Es liegt mir fern, mich hier als Opfer darstellen zu wollen, wenngleich der Artikel in der lokalen Tageszeitung sicherlich andere Kreise hätte ziehen, und somit auch meine Frau und meine beiden Kinder in Mitleidenschaft hätte ziehen können. Das aus meiner Sicht gesehen unüberlegte Vorgehen von Herrn Broeker war in jedem Fall geeignet mir sowohl als Privatperson, als auch wirtschaftlich zu schaden.

 

Die Reichweite der Lippischen Landeszeitung ist bekanntlich größer, als die der NelkenWelt, insofern ist meine zwischenzeitlich erfolgte Gegendarstellung über Blomberg Voices und die NelkenWelt nur zum Teil ausreichend. Für die Qualität der Witze habe ich mich aufrichtig entschuldigt, diese jedoch zum Anlass für eine derart überzogene Darstellung zu nutzen ist nicht nur unfair, es ist eine Frechheit. Die erfolgte Forderung mich von Sitzungen fernzuhalten verstößt klar gegen geltendes Recht, Stichwort Pressefreiheit, und ist eines Ratsherrn unwürdig. Ich möchte an dieser Stelle kurz erwähnen, dass mir immer wieder bescheinigt wird, dass die Berichterstattung aus dem Blomberger Rathaus umfassend und stets neutral, ja sogar sehr nah am gesprochenen Wort sei. Zielsetzung von Blomberg Voices war und ist es, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu informieren und auch kleinen Vereinen und Organisationen eine Plattform für Öffentlichkeitsarbeit zu bieten.

 

In Summe hat mich das Vorgehen von Herrn Broeker mindestens zwei Tage meiner Arbeitskraft gekostet. Allerdings, anders als eventuell zu vermuten, weil mich Leute kontaktiert haben, um mir ihren Unmut über das Verhalten von Herrn Broeker mitzuteilen. Häufig wurde mir geraten meine Anwälte einzuschalten, wovon ich Abstand genommen habe. Ich habe dies aus einem einfachen Grund getan: Als Blomberger Bürger weiß ich, unabhängig von der jeweiligen Meinung, das Engagement eines jeden Lokalpolitikers zu schätzen. Unter anderem deshalb habe ich den Namen Broeker auch aus den Stellungnahmen herausgelassen, hier kommt er nun doch zur Sprache.

 

Ganz neutral kann ich diese Angelegenheit natürlich nicht betrachten, den Versuch unternehmend möchte ich wie folgt formulieren: Den Antrag der FBvB finde ich sehr löblich, versinnbildlicht er doch, dass nicht jeder zur Willkür neigt, die ich in der Forderung von Herrn Broeker klar erkenne. Ich halte dieses Verhalten für ungebührlich und geeignet, dem Rat und seinen Ausschüssen zu schaden. Daher kann eine mündliche Abmahnung sicherlich nicht schaden, damit soll es dann aber auch gut sein.

 

An Herrn Broeker möchte ich ebenfalls noch ein paar Worte richten: Ich weiß tatsächlich nicht, woher diese offenkundige Abneigung gegen meine Person kommt, ich bin jedoch kein besonders nachtragender Mensch. Gefreut hätte mich ein Anruf, Ihre Kollegen werden hoffentlich bestätigen, dass ich immer gesprächsbereit bin – ebenfalls zu erkennen an meiner Bereitschaft mich der Fraktion der Grünen in einer Sitzung zu stellen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass Sie Ihre ehrenamtliche Tätigkeit für Blomberg mit ein wenig mehr Besonnenheit erbringen. Wie bereits geschrieben, so werde ich auch Sie weiterhin bei der Berichterstattung fair behandeln, eine andere Art zu arbeiten kenne ich nicht, von diesem Weg werde ich mich auch durch einen hoffentlich einmaligen Missstand nicht abbringen lassen.

mit besten Grüßen, Markus Bültmann“

 

Verlauf der Sitzung:

 

Günter Simon (FBvB): „Ich war geschockt über Forderung eines Ratsmitglieds, die klar gegen das Grundgesetz abzielt. Auch wenn man keine Rüge, keinen Tadel oder sonst etwas aussprechen kann, so geht es hier darum, dass so etwas in Zukunft nicht noch mal passiert. Der Antrag hat auch nichts mit der Äußerung zu tun, bei der sich der Ratsherr negativ über unsere Arbeit geäußert hat. Er hat auch nichts damit zu tun, wie mit Witzen umgegangen wird. Ich habe auch meine Bedenken, wie dieser Ratsherr Zeitung lesen kann. Nelkenpost – NelkenWelt, dass ist eine Farce. Mich stört die Tatsache hier über die Öffentlichkeit zu gehen, was man besser hätte privat regeln können. Auch die Charakterisierung der Witze, die heute nicht zur Diskussion stehen, ist falsch gewesen. Es ist uns ein zentrales Anliegen, dass wir uns darüber Gedanken machen, ob wir unsere Worte öffentlich so gebrauchen oder nicht vorher besser überlegen sollten“, waren die einleitenden Worte von Günter Simon, der den Antrag stellv. für seine Fraktion eingebracht hatte.

 

Bürgermeister Klaus Geise: Wie befassen uns heute ausschließlich mit einer politischen Würdigung der Geschehnisse, dazu möchte ich nun die Aussprache eröffnen.

 

Günther Borchard (SPD): Ich werde meinen Wortbeitrag in drei Abteilungen gliedern:

 

1. Auslöser: Die Witze in der NelkenWelt sind keine gute journalistische Leistung gewesen. Ich hätte mir etwas mehr Sensibilität und Fingerspitzengefühl gewünscht. Ich finde es schade, dass wir heute darüber sprechen müssen. Der Kollege (Markus Bültmann) ist heute anwesend und wir kennen ihn aus anderen Zusammenhängen, wo er immer sehr ordentlich berichtet. An ihn möchte ich richten: „Wir wissen sie können es besser, machen sie es besser, auch in der Nelkenwelt“.

 

2. Diskussion über das Vorgehen eines jungen Ratsmitgliedes, der erst seit 2014 im Stadtrat ist: Ich war entsetzt das (Bericht LZ) lesen zu müssen. Egal was an anderer Stelle stand, das muss deutlich kritisiert werden. Sich nicht politisch damit auseinander zu setzen, sondern mit einer Formalie an den Bürgermeister gerichtet, das Problem nur für sich selbst lösen zu wollen geht nicht. So an die Presse heranzutreten und so mit der Presse umzugehen, dass kennen wir hier in Blomberg nicht, nun haben wir etwas Neues kennen gelernt. In aller Deutlichkeit, davon distanzieren wir uns ausdrücklich. Uns stört der Umgang damit, den man politisch hätte diskutieren können, aber ein Berufsverbot ausführen lassen zu wollen geht überhaupt nicht. „Ich verpflichte mich“ (Teil dessen, was bei Berufung in den Rat zu formulieren ist) zu sagen, dann so wie beschrieben zu handeln und das (die Verpflichtung) außer Acht zu lassen. Dafür fehlen mir fast die Worte, so etwas aus den Reihen des Blomberger Rats? Der Umstand, dass er auch nicht auf Erläuterungen und Entschuldigungen bis heute in keiner Weise eingegangen ist oder reagiert hat, ist eine weitere, Unhöflichkeit ist nicht die richtige Vokabel, das ist schlicht und einfach unsäglich, es so im Raum stehen zu lassen und sich der Auseinandersetzung zu entziehen. Ich hätte zumindest erwartet, dass er heute hier zugegen ist. So was geht nicht und ich kann nur an den Kollegen appellieren solche Aktionen in Zukunft zu unterlassen und sich zu überlegen ob das ein gutes Beispiel für Ratsarbeit sein kann.

 

3. Antrag: In dem steht viel Richtiges. Den Antrag selbst hätte man aber nicht stellen sollen. Sie (Herr Simon) haben selbst ausgeführt, dass eine Abmahnung oder Ähnliches nicht möglich ist. Nicht der Antrag, sondern die Auseinandersetzung mit dem Kollegen der so etwas macht, wäre der richtige Weg gewesen.

 

Friedrich-Wilhelm Meier (CDU): Vieles was gerade geäußert wurde ist zutreffend, ich hätte es eventuell anders formuliert, will nicht so ganz hart ins Gericht gehen. In der heutigen Zeit werden mir ohnehin zu viele Superlativen gebraucht. Insgesamt ist das ein unschöner Vorgang. Für mich gehört das eigentlich nicht ins Rathaus. Die Angelegenheit ist außerhalb von unserem Gremium entstanden, dass brauchen wir hier auch nicht zu diskutieren. Mit dem Antrag ist es aber hier herangetragen worden. Das haben die beiden eher für sich zu klären. Das ist aber eine Diskussion, dass kann man unterschiedlich sehen.

 

Hans-Adolf Albrecht (FDP): Eine unschöne Sache, die hier so in dieser Form nicht hingehört. Ich möchte nicht alles wiederholen, damit wird die Sache nur aufgewertet, wenn wir hier endlos lange diskutiert wird. Ich schließe mich meinen Vorrednern an.

 

Günther Borchard (SPD): Dazu zwei Aspekte: Der Auslöser ist außerhalb des Rathauses entstanden und hätte auch besser außerhalb geklärt werden sollen. Durch den jungen Kollegen ist die Angelegenheit aber hier ins Rathaus hineingetragen worden, durch den Antrag nun erneut.

 

Klaus-Peter Hohenner (SPD): Das ist keine Zweierbeziehung, es ist die Anforderung an den Bürgermeister von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Und das ist grundrechtswidrig, dass ist nicht nur ein Bisschen was, sondern ein ernst zu nehmender Verstoß, hier wird die Verfassung nicht beachtet. Das ist ein ganz grober Verstoß gegen demokratische Grundregeln. Die Presse hat eine Wachfunktion. Ich kann doch nicht sagen wir wollen uns von der Presse nicht mehr kontrollieren lassen. Wenn wir die Presse nicht reinlassen, dann wird auch die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Das geht nicht.

 

Gottfried Eichhorn (SPD): Es wäre schön, sich das Thema ersparen zu können, aber es ist in den Rat getragen worden und dann muss man sich auch damit beschäftigen. Die Witze sind nicht gut gewesen, ich kann darüber nicht lachen und würde diese auch nicht weitererzählen, dass ist die eine Sache. Aber das Zweite ist, nur weil mir das was ich lese nicht gefällt, kann ich mich nicht so verhalten. Das muss man auch mal klar machen und dazu Stellung beziehen. Nicht mit einem förmlichen Beschluss, aber eben hier (in der Diskussion). Was macht denn unsere Demokratie aus?

 

Hans-Ulrich Arnecke (Grüne): Der Mehrzahl der Äußerung habe ich nichts hinzuzufügen und daher verzichte ich auf meinen Wortbeitrag.

 

Günter Simon (FBvB): Ich finde gut, dass hier alle Stellung bezogen haben. Wir waren als Rat betroffen und sind mehrfach angegangen worden. Das es uns (FBvB) nicht gelungen ist eine beschlussfähige Formulierung zu finden ist nicht unsere Schuld, eventuell müssen wir hier dann bei unserer Gemeindeordnung nachbessern (die eine Abmahnung/ Rüge/ etc. eben nicht vorsieht). Wir sind an das Grundgesetz gebunden. Es ging unserer Fraktion um die Diskussion hier an dieser Stelle. Ich ziehe den Antrag zurück.

 

Ob die indirekte Anregung von Günter Simon (FBvB) auf Überarbeitung der Gemeindeordnung nun aufgegriffen wird oder nicht: Die Mitglieder des Hauptausschusses zeigten keinerlei Verständnis für den Versuch die Grundrechte mit Füßen zu treten. Sie waren in der Lage zwischen schlechten Witzen und einer überzogenen Reaktion zu unterscheiden. Die Angelegenheit sollte sich damit hoffentlich erledigt haben und Derartiges nicht erneut geschehen – das gilt für Beides: Schlechte Witze und die Reaktionen darauf.