Coach André Fuhr

Wie bereits am gestrigen Abend berichtet, wird André Fuhr seinen Vertrag bei der HSG Blomberg Lippe nicht verlängern, hier nun der ausführliche Bericht. Geschäftsführer Torben Kietsch machte es zunächst kurz, als er die beiden anwesenden Vertreter der Presse zu einer ungewöhnlichen Zeit in der Geschäftsstelle der HSG begrüßte und erklärte: Sondernachrichten bedürfen auch einer speziellen Uhrzeit, André wird seinen Vertrag nach 16 Jahren nicht verlängern. Das ist keine schöne Nachricht für die HSG. Wir haben soeben exklusiv die Mannschaft und auch den Leistungsnachwuchs informiert“, bevor er das Wort direkt an den Coach übergab.

 

André Fuhr: „Die Entscheidung ist mir nach der langen Zeit nicht leicht gefallen. Nach reiflichen Überlegungen und schlaflosen Nächten gab für meinen Entschluss drei große Gründe. Zum einen sollte es aus meiner Sicht neue Impulse für eine tolle Mannschaft geben, die eine grandiose Saison spielt. Einen Trainer, der mit neuen Sprüchen, Übungen, Witzen und Ideen die Mannschaft motiviert. Und auch für mich sollte es mal neue Impulse geben. Ich bin hier immer gerne Trainer gewesen, habe meine Arbeit mit viel Freude gemacht und wir haben letztlich auch einige Erfolge feiern dürfen. Dennoch muss ich mich auch selbst noch einmal ausprobieren und es wird nett sein, neue Herausforderungen zu suchen und auch zu finden. Auch die Vorkommnisse im November letzten Jahres, meine Beurlaubung nicht geglückter Art und das anschließende Weitergehen, ließen viele ungeklärte Dinge im Raume stehen. Mit Jens Genge konnte ich das sehr zeitnah klären, dass sage ich nicht weil er anwesend ist. Ich schätze die Verdienste von Jens für den Verein immens hoch ein, er sprach von „man habe sich verrannt“ – mit anderen hat das (die Bereinigung) nicht geklappt. In Blomberg konnte ich mein Hobby zum Beruf machen, auch wenn das abgedroschen klingen mag. Der Schritt ist kein leichter und ich habe hier viele Freunde gefunden. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es genau der richtige Schritt und auch der richtige Zeitpunkt ist“, so der 47-jährige A-Lizenz-Inhaber und angehende EHF Master Coach.

 

Jens Genge verdeutlichte in seiner Funktion als Beiratsvorsitzender der HSG Blomberg-Lippe Bundesliga GmbH: „Ich möchte vorwegnehmen, dass ich viel von André gelernt habe. Im Beirat herrscht die einhellige Meinung vor, dass wir sehr gerne verlängern wollten. Wir haben André ein Angebot gemacht, wollten einen sehr langfristigen Vertrag und haben angeboten, alles was möglich war nachzubessern, um ihn zu entlasten. Man kann André nicht als Arbeitnehmer bewerten, er war immer der Motor der HSG, zunächst mit Harald Wallbaum, später dann ohne. André ist hier der Unternehmer, er denkt und lebt die HSG. Wir wollten ihn unbedingt halten und haben alle Möglichkeiten geprüft. Als dann letzte Woche die Absage kam, mussten wir erst mal sehen, wie wir damit umgehen. Ich bin darüber traurig, sowohl als Beiratsvorsitzender, als auch persönlich – wir werden jedoch weiterhin Kontakt halten. André hat es eben schon angesprochen, wir hatten uns zwischenzeitlich verrant, dann gab es ein klärendes Gespräch, eine Art reinigendes Gewitter, dass hätte man in Summe besser machen können. Aber das war ja auch nur einer der drei Punkte. Ich kann André auch verstehen, er ist noch jung und wenn es erst zur Silberhochzeit mit dem Verein kommt (in neun Jahren wären es 25 Jahre bei der HSG), dann braucht er sich auch nichts anderes mehr zu überlegen. Wir müssen nun das beste aus der Situation machen und dürfen die Fuhr´sche Philosophie nicht aufgeben. Also nochmal: Seine Entscheidung müssen wir akzeptieren, wenngleich es super schade ist und wir gerne mit ihm weitergemacht hätten. Dir Frage, ob André die Mannschaft bis zuletzt motivieren kann, hat sich für uns nie gestellt, da genießt er unser absolutes Vertrauen.“

 

Fuhr: Nicht jünger ist tatsächlich auch ein Argument, ich werde auf dem Markt ja nun auch nicht wertvoller und möchte nicht das es später heißt: Der kann ja nur Blomberg. Andere Trainer wechseln alle drei Jahre – 16 Jahre sind da schon eine echte Ausnahme.

 

Die Reaktion Mannschaft der Mannschaft beschrieb Kietsch wie folgt: „Stückweit waren die Spielerinnen überrascht. Gerüchte hatte es gegeben, dass hat die Verkündung etwas abgefedert. Noch ist die Entscheidung etwas surreal, in Summe hat die Mannschaft gefasst reagiert. Anna Monz hatte die von Andre gelebten Werte sehr hervorgehoben und erklärt, dass sie diese auch weiterführen wollen. Die Stimmung zunächst somit gefasst, die Wirkung, also was es am Ende des Tages tatsächlich für die Bundesligamannschaft und auch den Nachwuchsbereich bedeutet, wird abzuwarten bleiben – das ein oder andere Tränchen wurde verdrückt.“

 

Kietsch zum Nachfolger bzw. der Nachfolgerin: „Wir sind natürlich bereits in Parallelplanung gewesen, an vorderster Front führe aktuell ich die Gespräche. Das ist hier sicherlich eine tolle Stelle als Cheftrainer, aber auch eine große Bürde. Eine Kopie von Andre geht nicht. Über 16 Jahre sind hier Strukturen gewachsen, als André kam, war die HSG ein Zweitligist, nun ist alles ein Stück weit professionalisiert. Er hat immer Vollgas geben. Der Neuen/ dem Neuen wird bewusst sein, was André hier alles bewerkstelligt hat. Wir suchen aber auch keinen, der sich nur um die Bundesligamannschaft kümmert und dem der Rest egal ist, es muss jemand sein, der zum Konzept, zur Philosophie und den Menschen passt. Ein neuer Anfang ist schließlich immer auch eine Chance, neue Impulse zu setzen, um auch zukünftig erfolgreich arbeiten zu können. Diese Chance wollen und werden wir nutzen! Die HSG-Welt wird sich weiterdrehen, das kann ich unseren zahlreichen Partnern, den vielen ehrenamtlichen Helfern, den Trainern und Betreuern, unseren Mannschaften sowie unseren klasse Fans versprechen.“

 

Die Freundschaft zwischen Torben Kietsch und André Fuhr ist offenkundig und auch am „Wiedereinkauf“ von Keitsch hat Fuhr maßgeblich mitgewirkt, war selbst ein entscheidender Faktor für die Wiederkehr. Auf die Frage ob Kitsch der nächste sein wird, der die HSG verlässt: „Zunächst habe ich eine Vertrag bis zum 30.06.2019 und bin mir der aktuellen Verantwortung bewusst. Ich sehe mich in der Pflicht, das Erbe von André weiterzuführen. Persönlich ist das (der Weggang Fuhr) ein Schlag für mich, dass habe ich mir anders vorgestellt als ich zurück gekommen bin. Seit 2010 habe ich mit André mehr Zeit verbracht, als mit jedem anderen Menschen. Unsere Freundschaft bleibt auf jeden Fall bestehen.

 

Jens Genge: „Vermutlich werden wir es nicht schaffen, all das über eine Person stemmen zu können. Dann müssen alle ein wenig mehr machen. André ist zum Beispiel damit aufgewachsen, auch die Geschicke der E-Jugend zu lenken, dass wird sicherlich anders werden. André hat, egal wo auch immer er gewesen ist, Eeindrücke gesammelt und mit nach Blomberg gebracht – was eigentlich nicht seine Aufgabe war“, und spiel auf die absolute Identifikation Fuhrs mit dem Verein an.

 

Geschäftsführer Kietsch: „Den Titel „Sportdirektor“ werden wir erst mal nicht mit Leben füllen. Wir müssen uns clevere Gedanken machen, werden an einigen stellen dicke Backen machen und wohl häufiger feststellen, ach ja, dass hat ja André gemacht. Dieser Aufgabe müssen wir uns nun annehmen.

 

André Fuhr: „Der Verein lebt, hat eine gute sportliche Basis und ein gutes Konzept wofür uns viele in Deutschland beneiden. Ich hoffe, dass hier alles so weiter geht und werde es auch aus der nahen Entfernung beobachten. Ich habe definitif ein Interesse daran, dass es hier gut weitergeht. Sofern mein Nachfolger dann gefunden ist, wird es eine praktische Übergabe geben und wir werden alles was erforderlich ist besprechen. An der Suche eines Nachfolgers wollte ich jedoch nicht beteiligt sein, dass habe ich von Anfang an gesagt und halte mich auch aus der Beratung heraus.“

 

Im Namen der Redaktion alles Gute für Coach Fuhr, vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und viel Erfolg in, sofern die Gerüchte stimmen sollten, Metzingen.

 

Hintergrund:

Der gebürtige Hiller Fuhr war 2002 zum damaligen Zweitligisten nach Blomberg gekommen. Im Jahr 2006 gelang dann der Aufstieg in die Beletage des deutschen Frauenhandballs. Seit dem spielt die HSG ununterbrochen in der ersten Liga. In seiner Amtszeit stand der Verein z.B. zweimal im Pokal-Finale, kann zudem vier Teilnahmen am Europapokal-Wettbewerb verbuchen. Sein Name steht außerdem für die Ausbildung von Spitzenspielerinnen wie Xenia Smits und Alicia Stolle. Neben der Führung der Bundesligamannschaft oblag dem studierten Pädagogen zudem das Traineramt der weiblichen A-Jugend. Seit 2002 wurde diese Nachwuchsmannschaft ein Mal Deutscher Meister, sieben Mal Vize-Meister und zwei Mal Dritter. Nach dem Ausscheiden des langjährigen Managers Harald Wallbaum fungierte André Fuhr ab 2012 ferner als Sportdirektor. In dieser Funktion verantworte er u.a. die Weiterentwicklung der HSG-Rahmentrainingskonzeption, den Ausbau des Handball-Internats, die Schaffung von professionellen Personalstrukturen im Trainerbereich und vielen weiteren großen und kleinen Projekten.

In einer vorgefertigten Pressemeldung äußerte sich André Fuhr zu seiner Entscheidung wie folgt: „In mir ist in den letzten Wochen der Wunsch gereift, als Trainer noch mal einen nächsten Level zu erreichen: Auszuprobieren, ob man auch woanders erfolgreich arbeiten und was man mit anderen Mitteln und Möglichkeiten noch schaffen kann. Für mich ist es an der Zeit, mich in einem anderen Verein und System zu beweisen. Das gehört zum Trainerleben sicher auch dazu. Diese Herausforderung werde ich ab dem 01. Juli 2018 annehmen. Klar ist aber auch: Es fällt mir extrem schwer, zu gehen. Ich hatte viele schlaflose Nächte. Die HSG ist mein Baby und ich habe in den vergangenen fast 16 Jahren sehr sehr viel Zeit, Energie und vor allem Herzblut investiert. Und ich blicke mit großer Zufriedenheit und durchaus auch ein wenig Stolz auf das Geschaffene und Erlebte zurück. Wir alle zusammen haben die HSG im Establishment des deutschen Frauenhandball etabliert, Talente gefunden, Nationalspielerinnen hervorgebracht, sind eine der führenden Nachwuchsschmieden in Deutschland. Aber: Das was wir geschafft haben, geht weit über die sportlichen Erfolge der Bundesligamannschaft hinaus – ich durfte meinen Teil dazu beitragen. Das Motto: „Von den Minis bis zur Bundesliga“ habe ich immer gelebt. Ich habe darüber hinaus eine tolle Truppe in der Bundesliga, es macht mir unheimlich viel Spaß mit diesem Team zu arbeiten. Es war höchst beeindruckend, wie wir zusammen, scheinbar völlig unbeeindruckt von allem was passiert ist, eine unglaubliche, einmalige Serie gestartet haben.

 

Neben dem sportlichen Aspekt habe ich zahlreiche Freundschaften geknüpft, es fällt mir wirklich schwer, diese Menschen zurück zu lassen. Ich war und bin stolzer Teil der HSG-Familie und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen und die Zusammenarbeit sowie Unterstützung in allen Bereichen. Mit mir war es ganz sicher auch nicht immer einfach. Aber zusammen waren wir ein sehr ordentliches Team! Von Herzen wünsche ich der Mannschaft und dem Verein alles Gute und glaube fest an eine erfolgreiche Zukunft. Natürlich werde ich den Weg der HSG weiter intensiv verfolgen.“

Nachfolgend ein kleiner Auszug aus der Liste von Erfolgen, an denen André Fuhr maßgeblich beteiligt war, entnommen der Internetseite des Vereins (www.hsgblomberg.de):

 

2016/2017

Frauen: 9. Platz in der 1. Bundesliga

weibliche A1-Jugend: 3. Platz beim FinalFour um die Deutsche Meisterschaft

 

2015/2016

Frauen: DHB-Final Halbfinale – 9. Platz in der 1. Bundesliga

weibliche A1-Jugend: Staffelsieger in der Jugendbundesliga und Viertelfinale Deutsche Meisterschaft

 

2014/2015

weibliche A1-Jugend: Staffelsieger in der Jugendbundesliga und Deutscher Vizemeister

 

2013/2014

Frauen: Platz 7 in der Bundesliga Hauptrunde und 1. Platz in der Abstiegsrunde, Final 4-Teilnehmer im DHB-Pokal und Deutscher Vize-Pokalsieger

weibliche A-Jugend: Staffelsieger in der Jugendbundesliga und DM-Viertelfinalteilnehmer

 

2012/2013

Frauen: Platz 8 damit erreichen Play-Off Deutsche Meisterschaft

weibliche A-Jugend: Platz 2 in der Regionalliga West und Deutscher Vizemeister

 

2011/2012

Frauen: Play-Off Deutsche Meisterschaft

weibliche A-Jugend: Westdeutscher Meister und Deutscher Vizemeister (DM-Final 4)

 

2010/2011

weibliche A-Jugend: Westdeutscher Meister und 3. der Deutschen Meisterschaft (DM-Final 4)

 

2009/2010

 

Frauen: 4. Platz in der Bundesliga Hauptrunde; 2. Platz im DHB-Pokal (Final 4-Teilnehmer); Halbfinale Deutsche Meisterschaft (Play-Off)

weibliche A-Jugend: 2. Platz in der Regionalliga

 

2008/2009

weibliche A-Jugend: 1. Platz in der Regionalliga; Westdeutscher Meister; DM Final 4-Teilnehmer

 

2007/2008

Frauen: 9 . Platz in der Bundesliga Hauptrunde; 4. Platz im DHB-Pokal (Final4-teilnehmer); 6.Platz nach der Bundesliga-Endplatzierung

weibliche A-Jugend: 1. Platz in der Regionalliga; Westdeutscher Meister; Deutscher Meister

 

2006/2007

Frauen: 8. Platz in der 1. Bundesliga

weibliche A-Jugend: Westdeutscher Meister und Deutscher Vizemeister im Final Four

 

2005/2006

Frauen: Meister der 2. Bundesliga Nord und Aufstieg in die 1. Bundesliga